Ein kleines Dorf mit wechselhafter Geschichte
Wir Willerstedter leben in einer uralten Kulturlandschaft. Das Gebiet zwischen dem Fluss „Ilm“ und dem Höhenzug „Finne“ als östlicher Ausläufer des Thüringer Beckens, war vermutlich ein bevorzugtes Siedlungs-, Verkehrs- und Durchgangsgebiet in vergangenen Zeiten. Die Spuren der jahrtausende währenden Besiedlung haben sich in reicher Zahl im und auf dem Boden erhalten. Sie stehen unter gesetzlichen Schutz, nicht nur um den Archäologen interessante Forschungsobjekte zu sichern, sondern vor allem, weil sie als Teil des kulturellen Erbes unseres Gebietes einzigartige Geschichtsquellen darstellen.
Ein weiter Bogen spannt sich von der Steinzeit bis zur Gegenwart. Heute dazu erst einmal ein grober Überblick, künftig in den Beiträgen geht es mehr ins Detail.
Mitten im Dorf ist das „Willerschte Mahl“, ein künstlich errichteter Burghügel, auch Hochmotte genannt. Der vorhandene Rest ist noch der größte seiner Art in Thüringen. Sein unterer Durchmesser betrug nach Recherchen meinerseits ursprünglich ca. 70 m. Dies deutet auf ein Bauwerk der Jungsteinzeitwie in Goseck, Kreis Weißenfels hin, wahrscheinlich eine Kreisgrabenanlage, die als Kultplatz genutzt wurde. In diesen Zeitabschnitt gehören nach bisherigen Erkenntnissen auch einige Hügel der hiesigen Flur sowie der Nachbargemeinden, zum Teil eines Sonnenkalenders. Beim Ausheben einer Baugrube für einen Läuferstall im Jahr 1973 wurde eine bronzezeitliche Siedlung angeschnitten. Dieses große Interesse für Willerstedt in der damaligen Zeit ist nicht verwunderlich, denn unser Ort und seine Gemarkung besaßen eine außerordentliche günstige Lage in Hinblick auf Nahrungserwerb (Bodenqualität), Wasser, Wetterschutz, Altstraßenanschluss und Sicherheit.
Nach Hans Walther, Landes- und Sprachhistoriker, gehört Willerstedt aus sprachlichen, siedlungsgeografischen und archäologischen Gründen offensichtlich zu den älteren der „-stedt“ – Namensgebung, das heißt spätestens Ende des 5. Jahrhunderts n.Chr. Dies war zur Zeit des Thüringer Reiches. Der Ortsname Willerstedt entwickelte sich aus dem Vollnamen Williherri (Wilherstede).
In der 2. Hälfte des 1. Jahrtausends befand sich Willerstedt im Grenzland zwischen Germanen und Slawen (Erfurt/Saale). Am Ende dieses Zeitabschnittes, vermutlich im 10. Jahrhundert, wurde aus dem ehemaligen Kultplatz eine Hochmotte errichtet, denn nach unseren Verständnis hatte dieser Kultplatz die nachfolgenden Jahrtausende gut überlebt und fand vielleicht Verwendung als Fluchtburg (Flachmotte) in der Völkerwanderungszeit und als Wohnsitz für thüringischen Stammesadel. Danach ist auch der Wohnsitz eines fränkischen Wehrsiedlers am frühgeschichtlichen Wegekreuz nicht auszuschließen.
Im 11. Jahrhundert kam Willerstedt, vermutlich durch eine Schenkung, zum Erzbistum Mainz. Schon im 12. Jahrhundert war die Burg und alles was dazugehörte im Besitz des Thüringer Landgrafen. Auf der Burg waren die Ministerialen des Landgrafen, die Dietmar’e von Willerstedt, eine angesehene Ritterfamilie, aber in Thüringen nicht weit verbreitet. In ihrem Siegel hatten sie ein Nesselblatt. Mitglieder der Familie von Willerstedt werden urkundlich von 1186/89 bis 1358 genannt. Jedoch war schon 1302 die letzte uns urkundlich bekannte Amtshandlung in Willerstedt.
1333 gab Landgraf Friedrich den Grafen von Orlamünde, Herren zu Weimar, die Burg Willerstedt mit Zubehör zum Lehen. Damit gerieten die Willerstedter im sogenannten Thüringer Grafenkrieg (1342/1345) auf die Seite der Verlierer. Am 23. März 1345 wurde die Burg nach zweitägiger Belagerung durch die Erfurter mit Unterstützung des Landgrafen gestürmt und zerstört. Sie durfte nicht wieder aufgebaut werden.
Für seine Verdienste in diesen Krieg bekam Kristian von Witzleben vom Landgraf das Burglehen zu Willerstedt (1345). Seit dieser Zeit gehörte Willerstedt den Rittern von Witzleben auf dem Wendelstein an der Unstrut und war später kursächsisches Wendelsteinisches Amtsdorf.
Erst 1815 kam Willerstedt zum Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. Dieser politische Schachzug war für Willerstedt ein Glücksfall. Territorial befinden wir uns zwar in der Nordostecke von Thüringen, aber die Heimatverbundenheit der Willerstedter zu Thüringen hat einen ganz anderen Stellenwert und der hat sich nach der „Wende 1989/90“ weiter gefestigt.
Walter Ladensack, Heimatforscher